Österreich: Vereinigtes Königreich zieht bei Tax Compliance die Zügel an

Ungeachtet des näher rückenden Brexits bleibt das Vereinigte Königreich einer der wichtigsten Wirtschaftspartner der EU. Zukünftig aber können wirtschaftliche Verbindungen in oder über das Vereinigte Königreich teure Konsequenzen haben, kommt es im Umfeld eines Unternehmens zu Steuer- oder Abgabendelikten.

Neue Risiken für die Strafbarkeit im Vereinigten Königreich

Der im Herbst 2017 in Kraft getretene 3. Teil des UK Criminal Finances Act 2017 weitet die strafrechtliche Verfolgung von Unternehmen wegen der Beteiligung an Vergehen Dritter gegen Steuer- und Abgabengesetze massiv aus. Das Unternehmen selbst ist nach den neuen Tatbeständen strafbar, wenn (i) eine Steuerhinterziehung (eines Dritten) vorliegt, (ii) eine mit dem Unternehmen assoziierte Person die Straftat in strafrechtlich relevanter Weise ermöglicht oder gefördert hat und (iii) ein hinreichender Bezug zum Vereinigten Königreich vorliegt.

Ausgangspunkt der neuen Tatbestände ist also die (separat verfolgte) Straftat eines Dritten mit Bezug zum Steuer- oder Abgabenrecht im weitesten Sinne. Dies umfasst etwa auch Zolldelikte oder Verstöße im Bereich der Sozialabgaben. Dabei muss der Verstoß nicht zwingend britisches Recht betreffen. Ein Bezug gegen ausländische Rechtsnormen reicht aus, solange dasselbe Verhalten auch in Großbritannien strafbar wäre.

Zu dieser fremden Tat muss eine mit dem betroffenen Unternehmen „assoziierte Person“ in strafbarer Weise Hilfe geleistet haben. Der Begriff der „assoziierten Person“ ist dabei weit gefasst. Neben Mitarbeitern des betroffenen Unternehmens können auch Subunternehmer und unabhängige Dritte mit einer besonderen Beziehung zum Unternehmen „assoziierte Personen“ sein. Entscheidend ist allein, ob der oder die Betroffene bei der strafbaren Beihilfehandlung innerhalb ihrer Beziehung zu dem Unternehmen handelt. Erfasst ist daher z.B. auch ein Handelsvertreter, der Kunden bei einer Umsatzsteuerhinterziehung unterstützt, indem er Scheinrechnungen ausstellt, welche dann zur Erlangung unrechtmäßiger Vorsteuerabzüge genutzt werden. Anders wäre es dagegen, wenn der Handelsvertreter nebenberuflich als selbständiger Unternehmensberater tätig ist und die überhöhten Rechnungen in dieser Funktion ausstellt. Kenntnis oder gar Billigung durch das Unternehmen wird in jedem Fall nicht vorausgesetzt.

Betrifft eine solche Beihilfehandlung der assoziierten Person Steuern oder Abgaben nach britischem Recht, tritt damit bereits die Strafbarkeit ein. Betrifft der Sachverhalt Delikte in Bezug auf ausländische Steuern und Abgaben tritt eine Strafbarkeit hingegen nur dann ein, wenn in anderer Weise ein hinreichender Bezug zum Vereinigten Königreich besteht. Dieser ist allerdings denkbar großzügig definiert. Er besteht unter anderem dann, wenn das betroffene Unternehmen in Großbritannien seinen Hauptsitz oder jedenfalls eine Niederlassung hat, ebenso dann, wenn ein Teil des für die Steuerhinterziehung maßgeblichen Verhaltens dort stattfindet.

Bei Verstößen gegen die neue Rechtslage können auch gegen ausländische Unternehmen hohe Geldbußen festgesetzt werden. Hinzu kommen der drohende Reputationsverlust und die Gefahr, aufgrund der Verurteilung von öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen zu werden. Auch eine Einstellung des Verfahrens ohne Verurteilung kann oft nur gegen hohe Geldauflagen erreicht werden.

Compliance als Mittel der Entlastung

Es bleibt jedoch ein Lichtblick. Weist das Unternehmen nach, dass es über ein effektives steuerliches Compliance-Systems verfügte, entfällt die Strafbarkeit. Der britische Gesetzgeber bemüht also das alte Prinzip von Zuckerbrot und Peitsche. Er droht mit rigiden Strafnormen und lockt zugleich als Lohn für ausreichende Compliance-Bemühungen mit Straffreiheit selbst für den Fall, dass diese am Ende eine Straftat nicht verhindern können.

Für die Bewertung solcher Compliance-Systeme haben die britischen Behörden einen eigene Kriterienkatalog entwickelt. Verlangt wird zunächst von den Unternehmen eine umfassende Risikoanalyse. Sie muss Risikofaktoren aus dem Tätigkeitsfeld, der Kundenstruktur und den Zahlungsströmen des Unternehmens identifizieren. Auf dieser Grundlage ist die Angemessenheit der vorhandenen Präventionsmaßnahmen zu überprüfen. Kernfrage muss sein, wer im Unternehmen wie und mit welchem Motiv bei Steuerstraftaten Hilfe leisten könnte. Für die so identifizierten Risikogruppen sind konkrete Präventionsmaßnahmen zu treffen. Tiefe und Gründlichkeit der Risikoanalyse sowie der ergriffenen Maßnahmen müssen belegbar sein. Die Entschlossenheit des Unternehmens, Steuerhinterziehung zu bekämpfen, muss zudem anschließend durch die dauerhafte Unterstützung von Präventionsmaßnahmen seitens der Unternehmensleitung belegt werden. Compliance-Workshops für Mitarbeiter und externe assoziierten Personen, laufende Kontrollen und ein angemessenes Meldesystem bei Verstößen sind dabei nur einige mögliche Bausteine.

Besonderen Wert legen die Behörden in ihren Leitlinien auf die Feststellung, dass die alleinige Weiterführung vorhandener Compliance Systeme vielfach nicht ausreichend sein wird. Nur tatsächlich effektive Maßnahmen werden also in den Augen der Behörden Gnade finden. Aber wer schon ein nach der ISO 19600 zertifiziertes Compliance Management System oder gar zusätzlich nach der neuen ISO 37001 ein Anti-bribery management system zertifiziert erhalten hat, kann hier auf zertifizierter, international anerkannter Grundlage aufbauen.

Handlungsbedarf für Unternehmen

Unternehmen mit einer Verbindung zum Vereinigten Königreich sollten die aktuellen Neuerungen zum Anlass nehmen, ihre bestehenden Compliance Regeln im steuerlichen Bereich zu überprüfen und ggf. zu überarbeiten. Gehen die bisherigen Regelungen Themen wie Korruption und Geldwäsche bereits konsequent an, wird der zusätzliche Aufwand in vielen Fällen überschaubar sein. Zeigen sich dagegen Lücken, sollte dies losgelöst von den neuen britischen Vorschriften Anlass sein, tätig zu werden. Denn auch bei uns ist auf nationaler und europäischer Ebene der Trend unübersehbar, dem Vorhandensein funktionierender Compliance-Systeme wesentliche Bedeutung bei der Strafzumessung bei Wirtschaftsdelikten einzuräumen.

Autoren: Heiko Hellwege, Christoph Sliwka