Ungarn: Gerichtsreform - Aufstellung der administrativen Sondergerichte

Einführung
Das ungarische Parlament hat im Dezember 2018 das Gesetz über die Neuordnung der Verwaltungsgerichte verabschiedet. Das neue Gesetz wird am 01.01.2020 in Kraft treten.

Radikale Änderungen
Nach dem derzeit noch gültigen Gesetz gehören die Verwaltungsgerichte zu dem ordentlichen Gerichtssystem. Mit dem neuen Gesetz wird dies radikal geändert werden: Die Verwaltungsgerichte werden als Sondergerichte funktionieren und demgemäß vollumfänglich von dem ordentlichen Gerichtssystem getrennt werden.

In dem neuen System wird in erster Instanz der Verwaltungsgerichtshof und auf der zweiten Instanz das Verwaltungsoberlandesgericht zuständig sein. Mit den neuen Vorschriften werden zwei parallele Rechtsprechungssysteme entstehen, an deren Spitze bei der ordentlichen Gerichtsbarkeit die Kurie und bei der Verwaltungsgerichtsbarkeit das Verwaltungsoberlandesgericht stehen wird.

Einfluß des Justizministers
Die Verwaltungsgerichte sind in den Rechtstreitigkeiten bezüglich der Entscheidungen der Staatsorgane (wie z.B. Entscheidungen der Steuerbehörde oder der Wettbewerbsbehörde) zuständig.

Der Justizminister sieht die zentralen Verwaltungsaufgaben der Verwaltungsgerichte vor. Er verfügt über umfängliche Kompetenz zur Festlegung des Personalstandes, des Budgets und der organisatorischen und operativen Regelungen. Dem Justizminister steht sogar das Recht zu, über die Ernennung der Verwaltungsrichter zu entscheiden. Diese Befugnisse können die Unabhängigkeit der Gerichte und auch im Allgemeinen das Prinzip der Rechtstaatlichkeit bedrohen. Obwohl durch das neue Gesetz ein aus Richtern bestehendes Selbstverwaltungsorgan eingerichtet wird, werden die Befugnisse dieses Organs aber auf das Recht auf Stellungnahme und Konsultation beschränkt. Somit ist es klar, dass das neue Gesetz dem Justizminister eine weite Einflussmöglichkeit einräumt. Angesichts der vorstehenden Ausführungen wird ersichtlich, dass durch das neue Gesetz die Unabhängigkeit der Gerichte und das Prinzip der Gewaltenteilung bedroht sind.

Stellungnahme der Venedig-Kommission
Die aus Verfassungsexperten bestehende Venedig-Kommission des Europarates hat die Vorschriften des Entwurfs des neuen Gesetzes geprüft und die weitreichenden Einflussmöglichkeiten des Justizministers kritisiert, die nach ihrer Meinung dazu führt, dass die wichtigsten Kompetenzbereiche ohne wirksame Kontrolle in einer Hand vereinigt werden. Die Kommission hat neben den Kritiken auch mehrere Vorschläge in ihre Stellungnahme aufgenommen. Aufgabe der Venedig-Kommission ist zu prüfen, ob die einzelnen nationalen Normen dem europäischen Verfassungsrechtsbestand entsprechen. Es ist nicht damit zu rechnen, dass die ungarische Regierung aufgrund dieser Vorschläge Änderungen an dem Gesetz vornehmen wird.

Autorin: Laura Simon