Europa: EU-Mitgliedstaaten vereinbaren Beendigung der Intra-EU-Investitionsschutzabkommen

Hintergrund
Historisch gewachsen gibt es zwischen Staaten ein dichtes Geflecht wechselseitiger Investitionsschutzabkommen. Verstöße gegen den Investitionsschutz werden vor internationalen Schiedsgerichten verhandelt, deren Urteilssprüche weltweit vollstreckbar sind. Solche Investitionsschutzabkommen gibt es – noch – zwischen verschiedenen Staaten der EU. Eines der bekanntesten Verfahren dürfte die Klage des schwedischen Vattenfall-Konzerns gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen des Atomausstiegs sein, die vor einem Schiedsgericht in Washington seit Jahren verhandelt wird. Damit haben bisher Unternehmen weltweit einen starken Hebel in der Hand, um sich bei Investitionen im Ausland gegen staatliche Diskriminierung und Willkür zu schützen.

Was ist neu?
Die EU-Mitgliedsstaaten haben nun in einer Vereinbarung vom 15.01.2019 die Aufhebung aller innereuropäischen Investitionsschutzabkommen (Intra-EU-BITs) bis Ende 2019 beschlossen. Sie sehen dies als notwendige Konsequenz des EUGH-Urteils in der Rechtssache Achmea vom 06.03.2018 an, wonach Investitions-Staatsschiedsverfahren auf Basis solcher Intra-EU-BITs europarechtswidrig seien. Davon sind auch sogenannte sunset clauses erfasst, die Investoren auch nach Beendigung der Verträge für lange Zeit Schutz gewähren. Investoren werden aufgefordert, keine neuen Verfahren zu beginnen. Bestehende Schiedssprüche sollen nicht mehr erfüllt und vollstreckt werden. Bereits erfüllte Schiedssprüche sollen aber nicht wieder aufgerollt werden. Uneinigkeit besteht allerdings im Hinblick auf die Auswirkungen des EUGH-Urteils auf den Energiechartervertrag (ECT), auf dem der Fall Vattenfall/Deutschland beruht.

Die Folgen für Investoren
Diese Entscheidung ist zunächst einmal ein Rückschritt für Investoren. Denn Europa ist bekanntlich auch im Sinne des Investitionsschutzes keine Insel der Seligen: Diskriminierung, unfaire Behandlung und Rechtsschutzdefizite kommen nicht nur in den mittel- und osteuropäischen Staaten vor. Auch die Brachialität, mit der 2011 in Deutschland der Atomausstieg durchgesetzt wurde, mag durchaus staunen lassen. Europäische Investoren haben ihre Investments auch im Vertrauen darauf getätigt, nicht nur durch das Binnenmarktrecht, sondern auch durch die Intra-EU-BITs gegenüber unfairer Behandlung und Enteignung geschützt zu sein und ihre Rechte auch in Schiedsverfahren durchsetzen zu können. Der nun ersatzlose Wegfall dieses zusätzlichen Schutzes könnte Investoren vor Ort in Schwierigkeiten bringen und das Investitionsklima selbst innerhalb der EU negativ beeinflussen; dem Auftrag des Rates zur Ausarbeitung eines alternativen Rechtsschutzinstruments ist die Kommission bislang noch nicht nachgekommen.

Fazit
Gerade in Zeiten schwindender Wertschätzung für Rechtstaatlichkeit und unabhängige Gerichte ist die faktische Abschaffung der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit quasi über Nacht ein beklagenswerter, auch kultureller Rückschritt. Auch bei Investitionen innerhalb der EU wird man nun das Risiko mangelnden Rechtsschutzes mit einpreisen müssen.

Autor: Heiko Hellwege