Italien: Ende der missbräuchlichen Insolvenzvergleiche?

Hintergrund
In Italien können Insolvenzen durch ein Vergleichsverfahren zwischen dem Insolvenzschuldner und seinen Gläubigern, dem sog. Concordato Preventivo, geregelt werden. Die Einschätzung der wirtschaftlichen Durchführbarkeit oblag dabei bisher allein den betroffenen Gläubigern. Seit einigen Jahren vertreten die Instanzengerichte aber bereits die Auffassung, dass sowohl die rechtliche als auch die wirtschaftliche und tatsächliche Durchführbarkeit des Concordato Preventivo einer gerichtlichen Überprüfung unterliegen muss, um Missbrauch zu verhindern.

Die Entscheidung des Kassationsgerichtshofs
Der italienische Kassationsgerichtshof hat mit Beschluss vom 20.04.2018 nun die vorinstanzlichen Entscheidungen bestätigt, welche allein auf der Grundlage der Bewertungen des gerichtlichen Kommissars die Zulassung des Insolvenzvergleichs verweigert und gleichzeitig den Konkurs des Gemeinschuldners festgestellt haben.

Im vorliegenden Fall hatte der Schuldner einen Antrag auf Zulassung des Insolvenzvergleichsverfahrens unter dem Vorbehalt der Nachreichung des konkreten Plans gestellt. Nach Prüfung der nachgereichten Unterlagen kam der Kommissar aber zu dem Schluss, dass es bei der Bewertung der zur Verfügung stehenden Aktivmasse und auch des Gesamtschuldenstandes zu schwerwiegenden Fehleinschätzungen gekommen war, sodass die konkrete Durchführbarkeit und insbesondere die Befriedigung der ungesicherten Gläubiger in der vorgesehenen Höhe gar nicht möglich war. Mit dieser Begründung wurde die Verfahrenseröffnung abgelehnt und stattdessen der Konkurs des Schuldners erklärt.

Mit dem vorliegenden Beschluss hat der Kassationsgerichtshof erstmals deutlich die Auffassung der Gerichte bestätigt, dass auch die Kontrolle der wirtschaftlichen und damit der konkreten Durchführbarkeit des Insolvenzvergleiches in die Zuständigkeit der Gerichte fällt und nicht allein den betroffenen Gläubigern obliegt.

Nach dieser Entscheidung hat das Insolvenzgericht nun sowohl die rechtliche Durchführbarkeit im Sinne einer Vereinbarkeit des Plans mit zwingenden Rechtsnormen zu prüfen als auch die wirtschaftliche Durchführbarkeit insbesondere auch dahingehend, dass die Befriedigung der Gläubiger in der vorgesehenen Höhe überhaupt realistisch möglich ist.

Dabei hat der oberste Gerichtshof die Bedeutung des gerichtlichen Kommissars in der Anfangsphase des Verfahrens hervorgehoben. Nach Auffassung des Gerichts hat der Kommissar eine qualifizierte Pflicht zur Berichterstattung insbesondere auch über diejenigen Umstände, welche zu einer Ablehnung der Verfahrenseröffnung und einer entsprechenden Konkurserklärung führen können.

Ausblick
Der Beschluss ist im Zusammenhang mit der bereits angestoßenen Reform des italienischen Insolvenzrechts zu sehen, für die nun die entsprechenden gesetzgeberischen Ausführungsakte anstehen. Die Prüfung auch der wirtschaftlichen Durchführbarkeit ist dabei in Art. 6 des Reformgesetzes ausdrücklich als angestrebter Regelungsinhalt genannt.

Im Ergebnis hat das Kassationsgericht daher die gesetzgeberische Maßnahme vorweggenommen und bereits im Vorfeld bestätigt. Hierdurch werden einerseits die bestehenden Unsicherheiten über die gerichtliche Prüfungsbefugnis beseitigt und andererseits der Insolvenzschuldner durch eine Stärkung der Rolle des Gerichts und des Kommissars bereits in der Anfangsphase davon abgehalten, allein aus Verzögerungsgründen unrealistische Pläne vorzulegen.

Autorinnen: Valentina Montanari & Alice Dossi